Was hat Marketing ohne Social Media mit unserem Körper zu tun, Alexandra Polunin?
Alexandra Polunin ist Beraterin für achtsames Marketing ohne Social Media. Sie unterstützt andere Selbstständige dabei, schreibend online sichtbar zu werden – ohne Psychotricks und das übliche Marketing-Blabla.
Was hat Marketing ohne Social Media mit unserem Körper zu tun?
Ich glaube, wir sollten aufhören, Marketingstrategien nur danach zu bewerten, wie viel Reichweite, Umsatz und (vermeintlichen) Erfolg sie uns bringen, und anfangen, Marketing im Kontext unseres gesamten Lebens, Alltags und Körpers zu betrachten.
Das fängt schon mit dem Wort „Marketing“ an. Wir könnten uns fragen:
Was spüre ich in meinem Körper, wenn ich an „Marketing“ denke? Ein Gefühl der Ruhe und Freude? Oder ein Gefühl der Unruhe? Stress? Druck?
Was spüre ich im Körper, wenn ich an Instagram denke? Oder Facebook? Eine Enge in meiner Brust? Einen Widerstand?
Ich glaube, Selbstständige sollten diese Symptome ernst nehmen, denn der Körper ist ein guter Indikator dafür, ob Marketingstrategien auch langfristig eine gute Idee für uns sind.
Ein Beispiel:
Ich habe mich früher regelmäßig dazu gezwungen, auf Facebook oder Instagram live zu gehen, weil ich dachte, dass „man“ das nun einmal so macht, wenn „man“ selbstständig ist. Doch als introvertierte Person hat es mich schon immer viel Überwindung gekostet.
Ich habe das direkt in meinem Körper gemerkt: beschleunigter Herzschlag, flauer Magen, schwitzige Hände.
Nun weiß ich natürlich, dass das erst einmal völlig normale Symptome von Nervosität sind und damit kein Grund zur Besorgnis.
Doch nachdem ich mich mehrere Jahre regelmäßig dazu gezwungen hatte, fiel mir das nicht etwa mit der Zeit leichter. Stattdessen hatte sich eine chronische Unruhe in meinem Körper eingestellt, die ich so nicht von mir kannte.
Wie anders erging es mir zum Beispiel, als ich im Abnabelungsprozess von Social Media erkannte, dass ich schreibend online sichtbar werden wollte und mir die Erlaubnis gab, „nur“ mit Website, Blog, Newslettern und Büchern Marketing zu betreiben.
Das hat sich angefühlt, als würde mir eine zentnerschwere Last von meiner Brust fallen. Und als könnte ich das erste Mal, seit ich mich selbstständig gemacht habe, endlich wieder frei durchatmen.
Deshalb weiß ich:
Es ist nicht „normal“, Anspannung, Stress oder schlaflose Nächte wegen Marketing zu haben. Jeder Mensch kann die Form von Marketing finden, die sich gut anfühlt und die physische oder psychische Gesundheit nicht angreift.
Der Körper ist unser bester Freund und sagt uns, was zu uns passt und was nicht.
Dein Kurs „Marketing ohne Social Media“ hat mir Anfang 2022 so viel Mut und Ideen gegeben, dass ich innerhalb eines Monats meinen Instagram Account gelöscht habe und mich (fast) vollständig von Social Media verabschiedet habe. Dafür bin ich dir so dankbar. Du führst dein Business ganz ohne Social Media. Und du bist soweit ich weiß auch privat nicht mehr auf Social Media unterwegs.
Wie kam es dazu? Was war der oder die Auslöser für deine Entscheidung?
Der Auslöser war der allererste Lockdown im März 2020.
Wie so viele Eltern hatte ich plötzlich meine beiden Kinder daheim, die nicht zur Schule gehen konnten, weil sie geschlossen war.
Und so merkte ich im Chaos und der Unsicherheit der ersten Pandemiewochen, wie kostbar meine Zeit und Energie eigentlich waren.
Das erste Mal, seit ich mich selbstständig gemacht hatte, stellte ich alles, was ich für mein Business tat, auf den Prüfstand. Ich fragte mich:
Ist das wirklich notwendig oder ist das nur Deko (oder gar Zeitverschwendung)?
War es wirklich eine gute Idee, angesichts des Zeitmangels eine Stunde täglich Karussellposts in Canva zu designen, täglich Instastorys zu machen oder sich von TikTok berieseln zu lassen?
Social Media, so stellte ich mit einem schnellen Blick in mein Analysetool fest, machte gerade mal ein bis zwei Prozent von meinem Websitetraffic aus. Und auch meine Programme verkaufte ich meist über meinen Newsletter und nicht, weil ich auf Facebook darüber berichtete.
Nun hätte ich natürlich auch sagen können: „Dann musst du dich halt noch mehr anstrengen und vielleicht mal eine Weiterbildung zu Facebook machen und lernen, wie es „richtig“ geht.
Doch meine Erkenntnisse passten auch zu meiner mentalen Social-Media-Verfassung: Ich war erschöpft.
Jahrelang auf Social Media den Hampel zu spielen, hatte Spuren hinterlassen. Ich war müde, unruhig, konnte nicht mehr schlafen, musste jede Minute irgendwas „checken“ und ging durch mein Leben mit dieser alles dominierenden Frage: Kann ich das auf Instagram posten?
Nachdem mir klar wurde, dass mir Social Media keine nennenswerten Ergebnisse brachte und mich dazu auslaugte, beschloss ich, die nächsten Wochen und Monate ein „Social-Media-armes“ bis „Social-Media-freies“ Marketing zu testen und zu gucken, ob ich immer noch genügend Kundinnen für meine Programme fand.
Und was passierte? Mein Business lief ohne Social Media besser denn je.
Danke für die spannenden Einblicke. Was hat sich für dich verändert? Mich interessiert das im Detail.
Kannst du beschreiben, was sich körperlich, emotional und mental für dich verändert hat?
Da ich mich nun einen großen Teil meiner Zeit in meiner schreibenden Komfortzone befinde, ist mein Körper im Vergleich zu früher deutlich weniger Stress und Adrenalin ausgesetzt.
Ich weiß, dass viele Coaches immer sagen, wir sollen unsere Komfortzone verlassen, um etwas Großes zu erreichen. Aber die Erfahrung habe ich nicht gemacht.
Jahrelang habe ich dazu gezwungen, auf Social Media Dinge zu tun, die ich nicht wollte. Das hat mich nicht erfolgreich gemacht, sondern mich fast in einen Burnout getrieben.
Nun ist mein Alltag ruhiger geworden, weniger gehetzt. Beim Marketing auf schreibende Strategien zu setzen, hat mein Leben definitiv entschleunigt.
Manchmal öffnete ich meinen Posteingang und … er ist leer.
Ein Zustand, den ich mit Social Media gar nicht kannte. Da bekam ich gefühlt jede Minute Mails, wer was von mir geliked, geteilt oder kommentiert hatte.
Nun sind da nur noch die wirklich wichtigen Anliegen in meinem Posteingang: Anfragen, Austausch mit Kolleginnen oder Nachrichten von Kundinnen.
Ich habe mich zu Beginn oft bei dem Gedanken ertappt, gar nicht richtig zu arbeiten. Einfach weil es jetzt wieder Zwischenzeiten und Zwischenräume gab, die ich nicht mehr mit Social Media fülle.
Natürlich ist das Blödsinn, zeigt aber ganz schön, wie sehr ich die Hustle Culture internalisiert hatte und dachte, ständig „busy“ sein zu müssen.
Inzwischen hat sich das zum Glück gelegt und ich bin rundum dankbar für den Luxus, nicht mehr auf Social Media zu sein und mich nicht bei jedem Spaziergang fragen zu müssen: „Soll ich das fotografieren und in einer Story posten?“
Wie siehst du die Entwicklung mit den Sozialen Medien generell (also nicht nur für Unternehmerinnen) und was können oder sollten wir aus deiner Sicht anders machen?
Wenn ich ehrlich bin, bekomme ich gar nicht mehr so richtig mit, was in den sozialen Netzwerken gerade so passiert.
Social Media spielt einfach keine Rolle mehr für mein Leben und Arbeiten.
Ab und an erzählt mir eine Kundin von Instagram oder mein Mann von Twitter. Und dann denke ich: „Gott, ich habe zu 100% JOMO (= Joy of Missing out), wenn ich das höre.“
Deshalb bin ich, glaube ich, die falsche Person, um Entwicklungen auf Social Media einzuschätzen oder zu beurteilen.
Grundsätzlich verstehe ich mich auch gar nicht als knallharte Social-Media-Kritikerin. Ich kenne viele Menschen, die einen guten Umgang mit den sozialen Medien für sich gefunden haben. Das ist natürlich absolut in Ordnung. Jeder Mensch kann für sich selbst entscheiden, wie viel Social Media er in seinem Leben braucht.
Wie hat sich dein (Arbeits)alltag verändert, als du dich von Social Media verabschiedet hast?
Einer Studie von Microsoft zufolge sollen Menschen inzwischen eine geringere Aufmerksamkeitsspanne (8 Sekunden) haben als Goldfische (9 Sekunden).
Schuld daran sollen unter anderem die sozialen Netzwerke sein.
Auch wenn ich nichts zur Qualität dieser Studie sagen kann, erkenne ich mich in dieser überspitzten These definitiv wieder.
Früher konnte ich mich dank Social Media nur schlecht konzentrieren und unterbrach alle paar Minuten meine Arbeit, um irgendwas zu checken.
Meine Zeit war fragmentiert.
Ich hatte verlernt, einfach mal ein, zwei Stunden am Stück durchzuarbeiten.
Seit ich mich von Social Media verabschiedet habe, ist Deep Work zum Glück wieder für mich möglich. Es hatte aber tatsächlich einige Monate gedauert, bis ich nicht immer diesen unbändigen Drang hatte, mein Smartphone rauszuholen, obwohl ich gerade mit anderen Aufgaben beschäftigt war.
Und mein Eindruck ist, dass ich selbst nach fast drei Jahren ohne Instagram und TikTok immer noch nicht ganz auf dem Niveau von früher bin, wo ich mich Stunden in Bücher vergraben konnte.
Ansonsten ist mein Arbeitsalltag genauso wie der Arbeitsalltag von anderen Selbstständigen und Onlineunternehmerinnen auch: Ich arbeite mit Kundinnen oder an neuen Produkten. Ich betreibe Marketing, indem ich Blogartikel oder Newsletter schreibe. Ich kümmere mich um die Buchhaltung und die Steuer.
Der einzige Unterschied ist, dass ich nicht mehr jeden Pups, den ich mache, auf Instagram dokumentiere.
Das gibt mir Zeit, Energie und inneren Frieden.
Die zwei Stunden am Tag, die ich durch die Löschung meiner Social-Media-Profile geschenkt bekommen habe, nutze ich übrigens rein privat: Für noch längere Spaziergänge mit meinem Hund Merlin oder zum Klavierlernen (ein lang gehegter Wunsch von mir, von dem ich immer dachte, keine Zeit dafür zu haben).
Du hast auch bereits zwei Bücher geschrieben. Erzähl uns doch bitte auch noch etwas über deine Bücher, und wo wir sie bekommen können!
Auch das war etwas, wovon ich lange Zeit geträumt hatte: ein eigenes Buch schreiben. Doch als ich noch auf Social Media war, habe ich diesen Traum nie ernsthaft verfolgt.
Ich erinnere mich noch gut daran, dass Facebook vermutlich genau wusste, was mich so umtrieb, und mir dann entsprechende Posts wie „Du willst ein Buch schreiben? Pass auf, dass du nicht diese dreiundsiebzig Fehler machst!“ oder „Das machen alle Neuautoren falsch!!!“ in den Feed spülte.
Das war so unfassbar demotivierend, dass ich immer glaubte, nicht gut genug dafür zu sein.
Erst als ich mich nicht mehr täglich auf Social Media umtrieb und nicht mehr sah, was ich angeblich falsch machte, traute ich mich, meine Pläne umzusetzen und einfach meine eigenen Erfahrungen mit dem Thema Selfpublishing zu machen.
Ich schrieb und veröffentlichte zwei kleinere Bücher für mehr innere Stärke als Selbstständige.
Das Buch „Alles, was ich brauche, ist in mir“ ist eine Sammlung von stärkenden Affirmationen und „Warum bin ich gut genug?“ eine Sammlung von stärkenden Fragen.
Meine Hoffnung ist, dass ich Selbstständigen damit helfen kann, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und sich zu erlauben, individuelle, unkonventionellere Wege (im Marketing) zu gehen. Mit oder ohne Social Media.
Vielen Dank für das Interview, liebe Alexandra!
Wenn du noch mehr über Alexandra und ihre Arbeit erfahren magst, dann findest du sie hier:
Alexandra Polunin
Beraterin für achtsames Marketing ohne Social Media
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